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Happy Birthday zum Tag der Jugend

Jugendsprache

»Läuft bei dir« war 2014 Jugendwort des Jahres. Bei der letzten Abstimmung 2016 belegte »fly sein« den ersten Platz.

Am 12. August wird der Tag der Jugend gefeiert! Vor 17 Jahren wurde er als Gedenktag von den Vereinten Nationen ins Leben gerufen, damit er uns die Bedeutung der Jugend als Lebensphase und somit auch die Anliegen von Kindern und Jugendlichen auf der ganzen Welt in Erinnerung ruft. Vor allem geht es dabei um politische Themen wie Bildung und Umweltschutz: Was die Erwachsenen von heute festlegen, ist die Zukunft der Kinder von heute. Dieser vielleicht pathetisch anmutende Satz ist besonders für Länder wie Deutschland von Bedeutung, in denen der Bevölkerungsanteil der Kinder und Jugendlichen laut den Statistiken der Bundeszentrale für politische Bildung nur 10,7 Prozent entspricht. Die Anzahl der Menschen über 60 beträgt währenddessen 27,1 Prozent! Dass die Interessen, das Bewusstsein und die Meinungen von jungen und alten Menschen manchmal auseinandergehen, dürfte im letzten Jahr die Abstimmung über den Brexit in Großbritannien gezeigt haben. Mit der überdurchschnittlichen Anzahl an Wählenden im Rentenalter wurden die Belange von jungen Menschen systematisch wieder ausgesetzt. Für die Erwachsenen von morgen ein fatales Ergebnis.

Die Jungen gegen die Alten?

Aber existiert dadurch so etwas wie eine Rivalität zwischen Jung und Alt? Wirft man einen Blick in die Sprachwissenschaft, könnte man geneigt sein, dem zuzustimmen. Denn nicht nur die Interessen und Meinungen unterscheiden sich zwischen der Jugend und den Generationen höheren Alters, sondern ebenso die Sprache. Die sogenannte Jugendsprache wird allseits fleißig zitiert, und es folgt die Unterstellung, sie sei das beste Beispiel für den Verfall der deutschen Sprache. Lange Zeit wurde sie als Lebensalter-Sprache bezeichnet und galt in ihrer Form auf den Zeitraum eines Menschenlebens begrenzt. Heute fasst man Jugendsprachen hingegen nicht mehr als halbwegs eigenständige Sprachsysteme, sondern als komplexe Varianten der Standardsprache auf, auch Varietäten genannt. Da die Jugend an sich aber keineswegs so gleichförmig ist, wie der schlichte Begriff Jugendsprache vermuten lässt, existieren vielmehr mehrere Jugendsprachenvarietäten nebeneinander, die sich auch gegenseitig beeinflussen. Je nach gesellschaftlichem Umfeld zeichnen sich also jugendsprachliche Varietäten ab: In der Schule wird unter Jugendlichen nicht so gesprochen wie auf dem Sportplatz, aber auch nicht so wie in der Universität oder in unterschiedlichen Musikszenen. Gemeinsam ist all diesen sprachlichen Variationen jedoch ihr Kontrast zur Standardsprache, der in grammatischer und lautlicher Hinsicht hervortritt, aber auch im Hinblick auf Wortbildungen und die Verwendung von einzelnen Wörtern deutlich wird.

Es geht um Gefühle, Selbstfindung und Meuterei

Warum sprechen Jugendliche aber anders als ihre Vorgängergenerationen? Der Linguist Hermann Ehmann (1992: Affengeil. Das Lexikon der Jugendsprache. 1996: Oberaffengeil. Neues Lexikon der Jugendsprache. 2001: Voll konkret. Das neueste Lexikon der Jugendsprache. 2005: Endgeil. Das voll korrekte Lexikon der Jugendsprache) hat auf diese Frage gleich mehrere Antworten: Die Verwendung von Jugendsprache dient nach Ehmann der Abgrenzung von anderen (Generationen) und übt Kritik an bestehenden sprachlichen, aber auch gesellschaftlichen Normen. Mit dieser Distanzierung zur Erwachsenenwelt entsteht für Jugendliche gleichzeitig ein eigener Raum für Selbstdefinition in Bezug auf die eigene Identität. Sprache wird zum Emotionsventil und dient der Abreaktion während des konfliktgeladenen Stadiums der Pubertät. Dadurch, dass Jugendsprache sich durch mehr Dynamik auszeichnet, stärker subjektiv ist und auch weniger regelhaft und verkrampft, dafür aber kreativer als die Standardversion, ist sie bei geringerem Aufwand laut Ehmann mindestens genauso effizient. So entstehen unter Jugendlichen zum Beispiel Begriffe wie »funzen« (funktionieren), »latte« (egal), »pumpen« (Sporttreiben im Fitnessstudio) oder »kicken« (Spaß machen). Oft werden Wörter vereinfacht oder neu erfunden, Bedeutungen erweitert, verschoben oder verändert und manchmal komplette Sätze neu geschöpft: »Was ist Phase?« entspricht zum Beispiel der Frage »Was ist los?«.

Jugendsprachen als Spiegelbilder der Welt

Obwohl all dies für einen hohen Grad an Kreativität spricht, wird Jugendlichen in ihrer Sprachverwendung häufig Faulheit unterstellt. Immer wieder werden sie auch für die fremdsprachlichen Anleihen kritisiert, die sie in ihrem Alltag verwenden. Vor allem bei Anglizismen geraten selbst ernannte Care-Taker in den Rage-Modus, weil sie finden, dass Wörter dieser Art fake sind und die deutsche Sprache destroyen. Angeblich sei Jugendkultur in der Meinung der Sprachpfleger also maßgeblich für den Niedergang der deutschen Sprache mitverantwortlich. Dass all die Kritikübenden außer Acht lassen, dass sie wohl selbst als Jugendliche ihre Sprache mit Wörtern wie »knorke«, »Jeans« oder »Proll« mitgeprägt haben, scheinen sie dabei vergessen zu haben. Aber noch mehr: Indem Jugendsprache als Gefahr betrachtet wird, vertauschen sie die Ursache mit der Wirkung. Sie lassen die Tatsache unbeachtet, dass Jugendliche mit ihrer Sprache ihre Umgebung wiedergeben, also im Grunde nur die gegebenen Zustände reproduzieren, indem sie mit ihrer Sprache ein Spiegelbild der Gesellschaft schaffen. So schleusen junge Menschen die globalisierte Welt, die sie umgibt, mit transnationalen Einflüssen aus Sprache, Kultur und neuen Medien in ihre Sprache ein. Und diese Welt wurde von den älteren Generationen gestaltet.

Hinhören statt vorschreiben

In der experimentellen Sprachvariante, die die Jugendlichen verwenden, ist also mehr zu entdecken als der bloße Angriff auf Autorität, Norm und Konvention, und zwar sowohl in sprachlicher als auch in gesellschaftlicher Hinsicht. Wenn man also wie die Vereinten Nationen das Anliegen hat, Kinder und Jugendliche zu fordern und zu fördern, sollte man nicht damit beginnen, den Maßstab der Standardsprache anzulegen und sie in bestehende Muster und Konventionen zu pressen. Vielleicht lohnt es sich vielmehr, bei all dem jugendlichen Kauderwelsch mal genauer hinzuhören. Vielleicht ja auch gerade heute, am 17. Geburtstag des Welttags der Jugend.

Gut Kirschen essen

Kirschen essen

Im Sommer ist gut Kirschen essen. Was hat es mit dieser bekannten Redewendung auf sich?

Mit den meisten Menschen ist nicht gut Kirschen essen, wenn sie schlechte Laune haben. Aber was haben Kirschen mit unserem Unmut zu tun? Haben wir zur Kirschsaison schlechtere Laune? Die Kirschenzeit hat gerade angefangen, und die leckeren Früchtchen sind fast überall zu finden. Die frühesten Sorten des Jahres konnten schon im Mai von den Bäumen gepflückt werden, der Gaumenschmaus dauert aber noch bis Ende Juli an. Mittlerweile ist die Kirsche fast auf der gesamten Nordhalbkugel kultiviert worden und allen ein Genuss. Das war allerdings nicht immer so – und da kommen wir der Redewendung auf die Schliche.

Kirschenrache oder Futterneid?

Nachdem die Kirsche ursprünglich zur Zeit des Römischen Reiches von den Römern aus der Türkei nach Europa gebracht wurde, war sie lange Zeit eine exklusive Delikatesse vornehmer Gesellschaften. Ihr Anbau erfolgte nur in den Gärten von Adligen und Klöstern, und die Früchte waren so ausschließlich Edelfrauen und -männern zugänglich. Ein Ereignis aus dem Jahre 1291 kommt daher für die Deutung der Redewendung infrage: Der Erzählung nach seien dem Markgrafen von Meißen auf Schloss Hirschstein angeblich vergiftete Kirschen untergejubelt worden, sodass er bald darauf verstarb. Verdächtigt wurde sein Rivale, der Bischof von Meißen, der sich nach einem Streit nur augenscheinlich mit dem Markgrafen wieder versöhnte – und dann üble Rache nahm. Diese schaurige Geschichte ist allerdings nicht belegt, sodass eine weitere Deutung infrage kommt: Das ausgelebte Privileg des Kirschgenusses wurde nämlich während der Ernte gern mit Festen gefeiert, zu denen Gäste geladen wurden, um sich gemeinsam mit den Gastgebenden an den Früchten zu erfreuen. Menschen unterer Stände versuchten sich dabei angeblich die Chance nicht entgehen zu lassen, selbst an der Freude teilzuhaben, sodass sie sich manchmal unbemerkt auf die Kirschfeten schmuggelten. Ungeladene Gäste waren jedoch, wie man sich vorstellen kann, gar nicht gern gesehen, und so wurden die Eindringlinge – wohl aus Futterneid – mit Kirschkernen und -stielen bespuckt und beworfen, bis sie die Festlichkeit wieder verließen. Wenn man heute deshalb davon spricht, mit jemandem sei nicht gut Kirschen essen, geht die Redewendung auf diese Ereignisse zurück.

Kirschkerne spucken und Stiele schmeißen – oder lieber gleich mit Disteln werfen

Zum ersten Mal trat die Redewendung im späten Mittelalter auf. Offenbar wurden damals die Kerne aber meist noch mitgegessen, weshalb es auch in einer Fabelsammlung mit dem Namen »Der Edelstein« von Ulrich Boner heißt: »Wer mit Herren Kirschen essen will, dem werfen sie die Stiele in die Augen.« Allerdings scheint diese Redewendung in mündlicher Sprache damals noch nicht besonders aktiv gewesen zu sein, weshalb in manchen Schriften aus »die stil« (althochdeutsch) beim Abschreiben plötzlich »diestiel«, also neuhochdeutsch »Distel«, wurde. Das wäre wohl noch deutlich schmerzhafter gewesen. In späteren Belegen sind es dann nicht mehr die Stiele (oder Disteln), sondern öfter die Kerne, mit denen umhergeworfen wird. Während in den Schriften Stiele, Disteln und Kerne variieren, hat sich die Bedeutung über die Zeit dagegen kaum verändert: Zwar bringen wir Menschen, mit denen nicht gut Kirschen essen ist, nicht mehr direkt mit hohen Herrschaften in Verbindung, die ihre Launen an den ihnen Untergebenen auslassen. Aber wir verstehen den Satz auch heute noch als eine Art Warnung: Er ist ein Hinweis auf die wechselhaften Stimmungen einer Person oder auf ihren fragwürdigen Charakter. Zwar würden wir wohl in den seltensten Fällen riskieren, angespuckt zu werden, allerdings würden wir wohl auch eher ungern mit so jemandem unsere Kirschen teilen wollen.

Das Sein und der Schein

Anscheinend und scheinbar

Ist es wirklich so, wie es scheint? Diese Frage stellt sich uns in allen Lebenslagen.

Schon Goethe schrieb: »Die Welt urteilt nach dem Scheine.« (Clavigo, 1774, 4. Akt, Clavigo zu Carlos). In unserem Alltag müssen wir ständig zwischen Schein und Sein unterscheiden. Macht uns jemand etwas vor? Ist etwas wirklich so, wie es scheint? Wann spielt jemand mit Ironie? Um Aussagen, Annahmen oder Vermutungen und irreale Äußerungen voneinander zu unterscheiden, haben wir im Deutschen eine ganze Reihe von Möglichkeiten – eine davon nehmen wir hier einmal genauer unter die Lupe: den Unterschied zwischen »scheinbar« und »anscheinend«. Die beiden eng verwandten Wörter sind auf das Verb »scheinen« (bzw. das Nomen »Schein«) zurückzuführen und werden in der Alltagssprache häufig verwechselt, obwohl sie keineswegs dasselbe bedeuten. Um die Bedeutungsunterschiede der beiden Ausdrücke zu verdeutlichen und zu zeigen, dass der Schein nicht seit jeher trügt, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit der deutschen Sprache.

Die Entdeckung der Realität

Begibt man sich auf die Suche nach dem Ursprung von »scheinbar«, stößt man zunächst auf die alt- und mittelhochdeutschen Wörter scīnbāre bzw. schīnbære. Sinngemäß entsprechen sie den heutigen Wörtern »sichtbar« oder auch »leuchtend«. So heißt es zum Beispiel im Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (Band 14): »scheinbar → adj. glänzend, klar, offenbar, sichtbar«. »Scheinbar« war also alles, was man sah oder was erkennbar wurde und war damit real und in der Welt vorhanden. Der Schein, der heute mit Unehrlichkeit und Heuchelei verbunden wird, trügt dagegen erst seit Ende des 18. Jahrhunderts. Dank dem gewachsenen Interesse daran, die Welt aus wissenschaftlicher Perspektive zu betrachten, beschäftigte man sich seitdem insbesondere in der Philosophie vermehrt mit der Frage nach der Wirklichkeit. Der zutage beförderte Unterschied zwischen Realität und Irrealität machte eine neue Definition des Wortes »scheinbar« notwendig, die auch in zeitgenössische Wörterbücher Einzug erhielt: »Scheinbar« wurde nicht mehr neutral für sichtbare und in der Wirklichkeit vorhandene Dinge gebraucht, sondern als Adjektiv für Irreales, Vorgetäuschtes und der Wirklichkeit nicht Entsprechendes.

Anscheinend zu leicht zu verwechseln

Woher stammt aber das Wort »anscheinend«, mit dem wir »scheinbar« viel zu oft verwechseln? »Anscheinend« ist von dem heute so gut wie nicht mehr vorhandenen frühneuhochdeutschen Verb »anscheinen« abgeleitet, das so viel bedeutete wie »beleuchten« oder »bestrahlen«. Sein Partizip Präsens, das wiederum erst seit dem 18. Jahrhundert belegt ist, wird seither als Adverb synonym zu »offenbar« oder »offensichtlich« verwendet. Mit »anscheinend« kann also eine Vermutung geäußert werden, nach der etwas allem Anschein nach wahr ist, also so ist, wie es scheint. Trotz dieser eigentlich eindeutigen Definitionen der beiden Begriffe kommt es häufig zu Verwechslungen, und das Wort »scheinbar« rückt an die Stelle, an der eigentlich ein »anscheinend« angebracht wäre. Dieses Phänomen lässt sich unter anderem sprachökonomisch begründen: Immerhin hat der Begriff »scheinbar« eine Silbe weniger als sein Verwandter. Zusätzlich existiert das Wort »scheinbar« schon um einiges länger als das Wort »anscheinend«, und die über 250 Jahre angepriesene normative Unterscheidung zwischen beiden Begriffen fand offenbar nur bedingt Einzug in die von uns täglich verwendete Sprache.

Von Scheinheiligkeit und Ironie

Eine weitere Erklärung für die häufigere Verwendung von »scheinbar« liegt in der Tatsache, dass wir in spontanen sprachlichen Äußerungen meist nicht schnell genug einschätzen, ob etwas real oder irreal ist. Dabei kann die Unterscheidung in manchen Fällen relativ zwingend sein (es sei denn, die angesprochene Person ist sich bezüglich dieser ebenfalls unsicher). Ein Beispiel: »Die Richterin ist scheinbar unparteiisch.« wäre eine fatale Aussage, da impliziert wird, dass die Richterin nur so scheint, als sei sie in ihrer Entscheidung frei und fühle sich zu keiner Partei hingezogen. Hier wird eigentlich das Gegenteil ausgesagt, nämlich, dass die Richterin parteiisch ist! Ersetzt man aber »scheinbar« durch »anscheinend«, wird die Aussage zu einer (vertretbaren und hoffentlich auch) wahrheitsgemäßen Vermutung: »Die Richterin ist allem Anschein nach und ganz offensichtlich wirklich unparteiisch.« Ein sprachliches und vor allem rhetorisches Mittel, bei dem wir gezwungen sind, Schein und Sein voneinander zu trennen, ist die Ironie: Hier versteckt sich hinter »scheinbarem« Ernst ein spöttischer Inhalt und das Gegenteil vom eigentlich Gesagten. Ob jemand es »scheinbar« oder »anscheinend« ernst meint, ist auch hier keineswegs zu verwechseln. »Tolle Frisur!« kann nur »scheinbar« ernst (und »anscheinend« ironisch) gemeint sein, wenn sich jemand einen Scherz über die frisch geföhnte Dauerwelle erlaubt. Ist dieses Kompliment allerdings ernst gemeint, können wir »anscheinend« sicher sein: Die Frisur steht uns phänomenal.

Ein Wort erobert die Welt

Herkunft Okay okay OK O.K.

Es gilt als das bekannteste Wort der Welt – und es war das erste, das auf dem Mond gesprochen wurde.

Okay, wie beginnen wir diesen Text? Mit einem Rätsel. Jeder kennt es, jeder sagt es. Es ist eines der meist verwendeten Wörter der Welt und war das erste gesprochene Wort auf dem Mond. Obwohl seine Bedeutung relativ gering erscheint, versteht es jede/r – überall. So kommt es bei unglaublich vielen Gelegenheiten zum Einsatz: Auf eine Frage oder Aussage hin kann es Zustimmung ausdrücken und sogar Begeisterung, doch genauso kann es Mittelmäßigkeit bedeuten, ohne dabei abwertend zu klingen. Außerdem kann man damit fragen oder um Einverständnis bitten. Es kann Reden einleiten, Pausen überbrücken, Themenwechsel herbeiführen oder selbige ganz beenden. Meistens ist es dabei ein Adjektiv oder Adverb, manchmal kommt es aber auch als Nomen vor.

Na, schon drauf gekommen?

Die Lösung lautet: »okay«. Dieses Zauberwörtchen trat angeblich das erste Mal vor rund 175 Jahren in den USA in Erscheinung. Während in manchen Kreisen davon ausgegangen wird, »okeh« sei ursprünglich ein indianisches Wort mit der Bedeutung »es ist so« gewesen, gibt es noch eine andere Variante, die den Ursprung des Wortes belegen will: So habe sich unter Zeitungsleuten in der Mitte des 19. Jahrhunderts ein Trend zu raffinierten Abkürzungen entwickelt, die mit Vorliebe falsch geschrieben wurden. Zur Belustigung der Leserinnen und Leser sei so im Jahr 1839 das erste Mal das Wort »o. k.« in der Boston Morning Post in einem Artikel von Charles Gordon Green erschienen. »O. k.« für »oll korrekt« statt »all correct« war zwar ein flacher Witz, soll aber weitreichende Folgen gehabt haben: Im darauffolgenden Jahr nutzte der Präsidentschaftskandidat Martin Van Buren, der von seinen Anhängern und Anhängerinnen auch »Old Kinderhook« genannt wurde, die Abkürzung für seine Zwecke. »OK« wurde zum Emblem seiner Propaganda.

»Ach so? Hm. Aha, okay.«

Bei dieser Interpretation wird davon ausgegangen, dass sich ein zunächst nur geschriebenes Wort in der mündlichen Sprache durchgesetzt hat. Historisch gesehen ergeben solche Annahmen allerdings nicht besonders viel Sinn, da es so gut wie immer andersherum funktioniert: Die gesprochene Sprache geht der schriftlichen voraus – manchmal sogar um Jahrhunderte. Umso fragwürdiger ist es deshalb, dass sich aufgrund eines einzigen Zeitungsartikels ein Wort derart prominent entwickeln konnte. Müsste »okay« nicht also zuerst in der gesprochenen Sprache aufgetaucht sein? Mit Blick auf die USA des frühen 19. Jahrhunderts begibt man sich in die Geschichte der Sklaverei. Zwischen 1499 und 1820 wurden Menschen aus Nordwestafrika über den Ozean nach Amerika deportiert und gezwungen, als Sklavinnen und Sklaven zu arbeiten. Die Lingua franca, also die von ihnen untereinander gesprochene Verkehrssprache, war Wolof. Sie zeichnete sich unter anderem dadurch aus, dass sie in der Kommunikation von Interjektionen geprägt ist. Das sind Wörter, die in Gesprächen zur Verdeutlichung von Empfindung und Anteilnahme eingeworfen werden. Im Deutschen zum Beispiel können »aha«, »ach so« oder auch »hm« auf diese Art gebraucht werden und von Gesten wie Kopfschütteln oder Nicken begleitet werden. Dieses sprachliche Phänomen zur Bestätigung der Gesprächspartnerin oder des Gesprächspartners wird in der Linguistik auch als Backchanneling bezeichnet. So macht man während der Unterhaltung deutlich, dass man der sprechenden Person aufmerksam zuhört, ohne sie dabei zu unterbrechen.

»Okay« ist ein Wort-Import

In der Sprache der Versklavten in den Vereinigten Staaten war einer der häufigsten auf diese Weise verwendeten Begriffe das Wort »waw-kay«. Wenn der Plantagenbesitzer seine Befehle gab und den Menschen auf dem Feld mit der Peitsche drohte, wurde ihm ein »waw-kay« entgegengebracht. So kann man davon ausgehen, wie auch schon der Linguist Paul Werth formulierte, dass »okay« in seiner mündlichen Ursprungsform mit dem Beginn der Sklaverei in den USA Fuß fasste – aber natürlich nicht in der Sprache der Weißen und somit auch erst recht nicht in schriftlicher Form. Vielmehr ist anzunehmen, dass das Wort ganz allmählich in die gesprochene Sprache der Abkömmlinge Christoph Kolumbus’ übergegangen ist, sodass sein sklavischer Ursprung verschleiert wurde. So war »waw-kay« beziehungsweise »okay« wohl schon Teil der gesprochenen Sprache, als es vom Abkürzungstrend ergriffen wurde. Und mit den Buchstaben »o« und »k« fand es so schließlich auch seinen Weg in die Zeitungen.

Rassismus ist nicht okay!

Dass die witzige Geschichte über die Boston Morning Post hinfällig ist, beweist auch eine weitere wissenschaftliche Tatsache: Das Backchanneling-Phänomen zeigt sich nämlich weitaus häufiger im amerikanischen Englisch als im britischen und tritt auch öfter im südafrikanischen Afrikaans auf als im europäischen Niederländisch. So ist davon auszugehen, dass mit der Deportation von Sklavinnen und Sklaven nach Amerika aus Versehen auch ein Teil ihrer Sprache mit exportiert wurde. Wie kommt es aber, dass sich trotz all dieser Belege gerade die wenig plausible Annahme verbreiten konnte, das Wort »okay« sei während einer Zeitungsklamauk-Reihe um Abkürzungswitze entstanden? Mit dem Einzug des Wortes »okay« nicht nur in die englische Sprache stieg das Interesse an seinem Ursprung. Allerdings, so auch Paul Werth, hat man sich in der Forschung natürlich nur mit Quellen aus weißer Hand beschäftigt, sodass jede Dokumentation, die behauptete, »okay« stamme nicht von einem weißen (vermutlich heterosexuellen) Amerikaner, unbeachtet blieb. Dass ein vermeintlich schwarzes Wort die Sprache der Weißen erobert hatte, wollte sich niemand eingestehen. Zu schön war die Geschichte über die Boston Morning Post und ihre ach so einfallsreichen Wortspielereien.