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Doppelpunkt: der Tausendsassa

Der Doppelpunkt, auch als Kolon bekannt.

Der Doppelpunkt: ein unscheinbares Multitalent mit poetischem Potenzial.

Der Doppelpunkt ist ein Tausendsassa unter den Satzzeichen: Er zählt zu den sogenannten Satzmittezeichen; seine Verwandten sind das Komma, das Semikolon und der Gedankenstrich. Er steht nie am Ende eines Satzes, ist kein Satzschlusszeichen, sondern ein Ankündigungs-, Übergangs- und Hervorhebungszeichen.

Seine Funktion: Ankündigung von Zitaten, wörtlicher Rede, Aufzählungen, Erläuterungen, Zusammenfassungen, Schlussfolgerungen. Weil er eine Zäsur setzt, bringt er Dynamik in den Text. Korrekt eingesetzt, ist er ein minimalistisches, aber sehr wirksames rhetorisches Werkzeug. Nicht korrekt verwendet, wird er zu einem Wichtigtuer, der mit großem Trommelwirbel Wichtiges ankündigt, jedoch Kümmerliches präsentiert, nämlich: weniges bis nichts. Der Doppelpunkt trennt nicht, er verweist vielmehr auf eine logische Verbindung. Er ist zudem insofern nützlich, als er als gnadenloser Rationalisierer umständliche Formulierungen, Nebensätze und Bindewörter überflüssig macht, oder in Überschriften Satzstücke verbinden kann.

Darüber hinaus wird er in der Mathematik als Divisionszeichen verwendet – das haben wir Leibniz zu verdanken –, zur Notierung von Verhältnissen – zum Beispiel von Fußballergebnissen (2 : 1) – und als Trennzeichen bei Zeitangaben (17:09:58).

Summa summarum: Der Doppelpunkt ist ein Satzzeichen, das dezent auf wörtliche Rede hinweisen kann, oder als unübersehbares Signal Aufmerksamkeit auf das Folgende steigert: Er sorgt für Klarheit, Ordnung und Übersichtlichkeit.

Wer hätte aber gedacht, dass dem Doppelpunkt auch poetisches Potenzial innewohnt? Dieses findet sich in Uwe Tellkamps Roman Der Turm wieder, der das Ende einer Epoche mit einem für den letzten Satz eines Romans falschen Satzzeichen markiert: einem Doppelpunkt.

Das finale historische Ereignis in Tellkamps Roman ist der Mauerfall, ein Bruch mit bisherigen Konventionen und mit bis zu diesem Zeitpunkt gültigen Regeln. Grammatikalisch verkörpert dieser Schluss auch eine Öffnung der Interpunktionsregeln: Am Ende des Satzes und des Romans steht, entgegen den Interpunktionsregeln, ein Doppelpunkt. So spiegelt er nicht nur den Epochenbruch wider, sondern zeigt auch auf: Das Ende ist nicht ein Ende, sondern ein Übergang, die Ankündigung von etwas Neuem.