Archiv für den Monat: Mai 2016

Das »weil« und der Wandel

Peter pflanzt schöne Blumen.

Peter pflanzt schöne Blumen.

Sprachwandel ist ein viel gebrauchtes, viel erforschtes und sicher auch viel gehasstes Wort. Der Dativ, der dem Genitiv sein Tod ist, Anglizismen, die sich überall einschleichen, und Abkürzungen, die um sich greifen, begegnen uns jeden Tag. Ein relativ aktuelles Phänomen, das Sprachpflegern dabei auf den Magen schlägt, ist der weil-Satz. Seit einiger Zeit wird dieser nämlich oft nicht mehr entsprechend all der anderen Nebensätze gebildet, sondern sein Verb bekommt eine neue Stellung, die der von Hauptsätzen entspricht: In Hauptsätzen wie »Peter pflanzt schöne Blumen.« oder »Schöne Blumen pflanzt Peter.« steht das finite Verb – also das Verb, das die Personen- und Zeitform anzeigt – klassischerweise an der zweiten Stelle. Bei Nebensätzen sieht das ganz anders aus. Diese werden durch Wörtchen wie »obwohl«, »damit«, »sodass« usw. eingeleitet. Sie werden als Subjunktionen bezeichnet und stellen die Verbindung zum Hauptsatz her, wobei das Verb dann wiederum an der letzten Stelle steht.

Aus Nebensätzen werden Hauptsätze

Beim weil-Satz scheint sich nun eine Besonderheit einzuschleifen: In der gesprochenen Sprache kommt es mit steigender Häufigkeit vor, dass das Verb plötzlich an die zweite Stelle wandert, obwohl es dort ja eigentlich gar nicht hingehört. Aber ist das falsch? Sprachwandelpessimisten finden: Ja.
Tatsächlich liest sich ein weil-Satz mit Verbzweitstellung eher stirnrunzelnd: »Peter gießt seine Blumen, weil er sieht sie gerne blühen.« Der Nebensatz sieht auf einmal aus wie ein Hauptsatz, die alte Konvention ist nicht mehr zu erkennen. Sprechern solcher Sätze wird dabei oft unterstellt, sie seien für die korrekte Satzbildung zu faul und die neuen Medien hätten einen erschreckenden Einfluss auf sie und unsere Sprache. Es wurde und wird angenommen, das Wörtchen »weil« werde einfach mit dem begründungsliefernden »denn« verwechselt. Bei Sätzen, die durch »denn« eingeleitet werden, handelt es sich nämlich nicht um Neben-, sondern um Hauptsätze, das heißt, ihr Verb steht an zweiter Stelle. Aber liegt hier wirklich eine Verwechslung vor? Entgegen dieser Meinung haben Sprachwissenschaftler bezüglich des weil-Satzes allerhand herausgefunden.

Das »weil« erschließt sich neue Felder

Sie haben die weil-Sätze noch einmal genauer unter die Lupe genommen und festgestellt: Beim Vergleich verschiedener Satzkonstruktionen, in denen »weil« vorkommt, sind die unterschiedlichen Verbstellungen auch mit unterschiedlichen Bedeutungen verknüpft. In der mündlichen Sprache weiß der Sprecher also sehr wohl, in welchen Momenten er das Verb an die zweite Stelle schiebt.
Statt einer Abflachung der Sprache, die allseits behauptet und ängstlich beobachtet wird, liegt also in Wahrheit eine weitere Differenzierung und gesteigerte Komplexität in der Konstruktion von weil-Sätzen vor. So konnten drei verschiedene Typen von Nebensätzen mit »weil« ausgemacht werden: Zunächst gibt es das faktische »weil«, das uns allen als korrekt bekannt ist und für das auch alle Sprachpfleger plädieren. Hier steht das Verb wie gehabt an letzter Stelle. Der Nebensatz gibt hier bezogen auf den Hauptsatz die Antwort auf die Frage »Warum ist das so?«. Ein Beispiel: »Peter gießt seine Blumen, weil sie wachsen und gedeihen sollen.«
Neben dieser Kategorie gibt es das schlussfolgernde »weil« in Sätzen mit Verbzweitstellung. Hier gibt der weil-Satz Antwort auf die Frage »Woher weißt du das?« – »Peter hat seine Blumen gegossen, weil die Gießkanne steht noch draußen.« Hier wird mit dem »weil« kein faktischer Grund geliefert, sondern eine Begründung, die aus der Umgebung abgeleitet ist.
Nebensätze mit sprechhandlungsbezogenem »weil«, bei denen das Verb auch an zweiter Stelle steht, liefern schließlich die Begründung dafür, warum die vorangegangene Aussage mit dem Hauptsatz überhaupt gemacht wurde: »Nachher regnet es wahrscheinlich, weil das kam gestern im Wetterbericht.«

Keine Angst vorm Sprachwandel

Statt dass sich der deutsche Nebensatz mit »weil« also vereinfacht und an Komplexität verliert, kann er mit seinen unkonventionellen Formen ganz im Gegenteil sogar noch eine Menge anderer Gesprächsfunktionen übernehmen. Pessimistische Befürchtungen im Hinblick auf diese Entwicklung sind daher relativ ungerechtfertigt, schließlich befindet sich unsere Sprache in einem steten Wandel. Nicht nur grammatische Formen, sondern auch eine Vielzahl von Wörtern, die wir heute als altmodisch oder unpassend empfinden, haben früher in die allgegenwärtige Alltagssprache gehört und sich von dort aus zusehends an die Peripherie bewegt – und das ohne, dass man sie heute großartig vermisst, weil sie durch neue Wörter oder Formen ersetzt wurden. Ob sich also auch der weil-Satz in seiner aktuell häufigen Verwendungsform irgendwann durchsetzt und seinen Weg in den Duden findet, bleibt noch offen. Wir sind gespannt.

Vom »Weib« zur »Frau«

Vom Waschweib zur modernen Frau: So funktioniert’s.

Vom Waschweib zur modernen Frau: So funktioniert’s.

Wenn man heutzutage das Wort »Weib« gebraucht, dann nur, um einer missfälligen Bemerkung Luft zu machen. Weiberabend, Weibsbild, Weiberkram, Waschweib und alles andere, was mit Weib zu tun hat, besitzt in unserer Sprache eine negative Konnotation. Weibisch ist im Gegensatz zu weiblich ein abwertender Begriff, in der Sprachwissenschaft auch pejorativ genannt.
Doch das war nicht immer so. Im Alt- und Mittelhochdeutschen, das heißt etwa bis zum 13. Jahrhundert, war das Wort wîp bzw. wîb, von dem Weib abgeleitet ist, noch ein ganz neutral besetzter Ausdruck, der der einfachen Geschlechtsbezeichnung diente. Wîp/wîb war der gängige Begriff ohne jeglichen negativen Beigeschmack und setzte sich auch neutral bis ins Frühneuhochdeutsche fort. So muss man heutzutage also keine bösen Absichten des Autors vermuten, wenn in frühen deutschen Texten vom Weib die Rede ist, sondern kann auf eine unbefangene Wortbedeutung schließen.

Mit »Frau« ist man(n) auf der sicheren Seite

Doch wie hat sich dann das heute verwendete Wort »Frau« durchgesetzt? Der Ursprung liegt hier in den Wörtern frouwe bzw. vrouwe. Diese benannten eine weibliche Adelsperson und wurden zur Markierung der Standesunterschiede gebraucht. Äquivalent zur männlichen Anredeform »Herr« waren sie als weibliche Titelbezeichnungen zu verstehen.
Der Bedeutungswandel, der schließlich das Wort »Weib« herabsetzte und »Frau« in die Alltagssprache eingehen ließ, ist ein unabsichtlicher Nebeneffekt: Vermutlich aus Prestigegründen, der Höflichkeit halber und um die Gesprächspartnerin nicht zu erniedrigen, wählte man(n) eine schmeichelhafte Anrede, obwohl diese möglicherweise nicht standesgemäß war. So war man(n) immerhin auf der sicheren Seite, falls man(n) es doch mit einer Edeldame zu tun hatte. Die regelmäßige Verwendung dieses sprachlichen Mittels führte dann zur Durchsetzung der Bezeichnung »Frau« für weibliche Personen und zur Abwertung des Begriffs »Weib«.

Hinter jeder »Frau« steckt am Ende ein »Herr«?

Schaut man jedoch genauer hin (oder schlägt im etymologischen Wörterbuch nach), stellt sich heraus, dass selbst die Bezeichnung wîp/wîb schon einen Ursprung besitzt, der uns an konservative Rollenbilder denken lässt: Das vermutlich vom indogermanischen abgeleitete uei-b- bzw. uei-p-, was »drehen, sich schwingend bewegen« bedeutet, soll an »die sich geschäftig hin und her bewegende Hausfrau« angelehnt sein.
Dementsprechend geht aber auch frouwe/vrouwe mit seinem Wortstamm fro auf eine althochdeutsche Bezeichnung für »Herr« zurück, sodass frouwe eigentlich dem Wort »Herrin« entspricht.

Und am Ende ist der Kerl sprichwörtlicher Sieger

Ein Zeichen für männliche Dominanz? Wahrscheinlich. Und dafür muss man gar nicht so tief im etymologischen Wörterbuch kramen. Nicht nur Wortursprünge, sondern auch zahlreiche Redewendungen machen deutlich, wer in unserer Sprache die Hosen anhat. Während sich viele dieser Wendungen zu Zeiten der Ständegesellschaft herausbildeten, in der die Unterdrückung und Benachteiligung der Frau (bzw. des wîp/wîb) an der Tagesordnung stand, ist es erstaunlich, wie sich das angeblich abgelegte Patriarchat auch heute noch ganz unbemerkt in unserer Sprache wiederfindet. Allerdings muss man gar kein ausgekochter Spitzbube sein, um bei all den Redensarten am Mann zu bleiben und nicht den Überblick zu verlieren. Dabei die eindeutig positive Besetzung für mit Männlichkeit assoziierte Wörter außer Acht zu lassen, wäre eine Milchmädchenrechnung. So gehen die meisten weiblichen Zuschreibungen eben auch heute noch mit einer negativen Konnotation einher. Das Wort »Weib«, das ja im Ursprung gar kein abwertender Begriff gewesen ist, hat heute eine weit degradierendere Bedeutung als sein Gegenstück »Mann« oder »Kerl«. Da ließe sich eine herrliche Liste anlegen – mein lieber Herr Gesangsverein.